«Die EAEA ist unser direkter Zugang zu den relevanten Entwicklungen auf EU-Ebene»


SVEB-Direktor Bernhard Grämiger war bis vor kurzem Vorstandsmitglied im Europäischen Verband für Weiterbildung, der European Association for the Education of Adults (EAEA). Was macht ein Schweizer in einem europäischen Verband und warum ist der SVEB überhaupt Mitglied in der EAEA?

Interview: Ronald Schenkel

Bernhard Grämiger, was würde fehlen, gäbe es die EAEA nicht?
Gäbe es die EAEA nicht, fehlte auf europäischer Ebene die Stimme für die Weiterbildung. Die EAEA agiert auf politischer Ebene und vertritt dabei rund 120 Mitglieder aus 43 Ländern. Der Verband erbringt zudem Informationsleistungen und setzt Projekte um.

Europa ist punkto Bildung ein sehr heterogenes Gebilde. Zwischen Ländern wie Dänemark und Portugal zum Beispiel bestehen grosse Unterschiede. Wie geht der Verband damit um?
Es bestehen grosse Unterschiede, was den Stellenwert der Weiterbildung in den einzelnen EU-Staaten betrifft. Das ist richtig. Die zentralen Herausforderungen bleiben aber meist die gleichen. In allen EU-Staaten bleibt es beispielsweise anspruchsvoll, Geringqualifizierte zu erreichen. Eine gemeinsame Herausforderung in allen Ländern ist es auch, die Weiterbildung als Mittel zur grünen Transformation und zur Begegnung der Herausforderungen im Rahmen der Digitalisierung zu positionieren. Hinzu kommen auch Themen wie Micro-Credentials, die auf europäischer Ebene gefördert werden sollen. Der Verband identifiziert diese gemeinsamen Themen und bearbeitet sie dann auf verschiedenen Ebenen.

Sie waren bis vor kurzem Vizepräsident der EAEA. Wie kommt es, dass ein Schweizer im Führungsgremium eines europäischen Verbandes Einsitz hat?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Der SVEB ist Gründungsmitglied der EAEA und darum innerhalb des europäischen Verbandes gut verankert. Wir wollen ihn auch mitgestalten und sind deshalb sehr engagiert. Natürlich kennt man uns auch innerhalb des Verbands, was sich in Wahlen niederschlägt. Ich war sechs Jahre lang im EAEA-Vorstand, bestehend aus zwölf Personen, vier Jahre davon als Vizepräsident. Die Amtszeit ist jedoch auf sechs Jahre beschränkt, weshalb ich nicht wiedergewählt werden konnte.

Hat die EAEA auch eine Bedeutung für die Schweiz?
Seit Mitte 2021 ist die offizielle Schweiz wegen dem gescheiterten Rahmenabkommen nicht mehr Mitglied in den europäischen Arbeitsgruppen zur Weiterbildung. Die EAEA ist deshalb nicht nur ein wichtiger Ort, um unsere Interessen einzubringen, sondern auch, um die Entwicklungen in der EU zu verfolgen. Diese sind für die Schweiz äusserst relevant. Wir stellen beispielsweise fest, dass die EU Kommission derzeit der Weiterbildung bei der Lösung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen einen sehr hohen Stellenwert beimisst. 2023 ist das europäische Jahr der Skills, und erst kürzlich wurde die neue Agenda zur Erwachsenenbildung verabschiedet. Für die Schweiz sind das wichtige Initiativen, die auch genutzt werden können. Die EU ist so gesehen auch Vorbild für eine aktive Weiterbildungspolitik.

Warum lohnt es sich für den SVEB, Mitglied zu sein?
Es ist unser direkter Zugang zu den relevanten Entwicklungen auf EU Ebene. Wir können Einfluss nehmen und auch unsere Perspektive einbringen. Die EAEA ist zudem ein Ort für Netzwerkarbeit. Einmal im Jahr trifft man alle relevanten Akteure auf europäischer Ebene. Das darf man nicht unterschätzen.

Was haben Sie im EAEA-Vorstand geleistet?
Ich habe mich in den letzten sechs Jahren stark dafür eingesetzt, dass die EAEA als Organisation strategisch gut positioniert ist. Dazu gehört auch die finanzielle Stabilität. Auch konnten wir fachliche Themen einbringen wie unsere Leistungen im Zusammenhang mit Grundkompetenzen oder unsere Perspektive auf Micro-Credentials.  

An welche Höhepunkte erinnern Sie sich?
Ein wirklicher Höhepunkt aus ganz persönlicher Sicht war die CONFINTEA VII, die siebte internationale Konferenz für Erwachsenen- und Weiterbildung im vergangenen Jahr in Marokko. Wir sahen eindeutig, wie wichtig das europäische Netzwerk ist. Als Europäer konnten wir, weil wir gut koordiniert waren, als starke, einheitliche Stimme auftreten und gezielt Einfluss nehmen. Wir konnten etwas bewegen. Und das war für mich persönlich eine grossartige Erfahrung. Ich denke aber auch sehr gerne an die gemeinsame Arbeit im Vorstand zurück. Die Mitglieder treffen sich jedes Jahr mehrfach, nicht nur für ein paar Stunden, sondern für zwei Tage. Das schaffte Verbundenheit und hat persönliche Beziehungen gefestigt. Diese haben auch über das Mandat hinaus Bestand. Und sie sind wertvoll, wenn es beispielsweise um gemeinsame Projektarbeit geht. 

Woran denken Sie mit Unbehagen zurück?
Ich habe eigentlich keine negativen Erinnerungen. Natürlich war ich immer wieder auch mit schwierigen Situationen konfrontiert, etwa wenn es um die finanzielle Situation ging. Auch der europäische Verband muss mit Unsicherheiten leben, beispielsweise bei der Vergabe von Finanzmitteln. Aber die EAEA verfügt über ein ein sehr gutes und engagiertes Team in Brüssel, mit dem ich sehr gerne zusammengearbeitet habe. 

Und wie geht es nun weiter? Wird der SVEB weiterhin eine Rolle in der EAEA spielen?
Nach sechs Jahren sind wir zwar nicht mehr im Vorstand vertreten. Aber wir werden uns weiterhin aktiv einbringen. Mittelfristig werden wir auch wieder im Vorstand mitarbeiten wollen. Ich habe zudem in den letzten drei Jahren Europa im Vorstand des Weltverbands repräsentiert. Der europäische Verband hat vorgeschlagen, dass ich das Mandat weiterführen soll. Das heisst, ich werde mich im Herbst erneut zur Wahl im Weltverbandsvorstand stellen. So bleibt auch der Kontakt zum Vorstand der EAEA bestehen.

Jedes Jahr vergibt die EAEA den Grundtvig Award. Im Juni war es wieder soweit. Was hat es damit auf sich?
Der Grundtvig Award zeichnet Projekte aus, die sich durch Innovation und Best Practice hervortun. Der Award ist jedes Jahr einem anderen Thema gewidmet. 2023 ging es um grüne Transformation. Ausgezeichnet wurden zwei Projekte: auf nationale Ebene eines aus Armenien, das seit 2004 Bauern im Übergang zu nachhaltiger Landwirtschaft unterstützt. Auf internationaler Ebene wurde ein Projekt aus den Niederlanden ausgezeichnet, das schwächere gesellschaftliche Gruppen wie Migrantinnen und Migranten oder Seniorinnen und Senioren einbezieht, um deren Kompetenzen für die Kreislaufwirtschaft zu stärken.

Können auch Schweizer den Award erhalten?
Ja, das ist möglich.

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