Das IFC und eduQua:2021: Hin zu einer neuen Qualitätskultur


In den vergangen zwei Jahren hat der SVEB zusammen mit zahlreichen Stakeholdern intensiv an der Revision der eduQua-Norm gearbeitet. Das Institut für Weiterbildung (Istituto della Formazione Continua, IFC) des Kantons Tessin sowie vier weitere Weiterbildungseinrichtungen aus der ganzen Schweiz haben sich bereiterklärt, den neuen Standard eduQua:2021 zu testen. Wir haben mit der Direktorin des IFC, Manuela Courbon Guggiari, und dem Qualitätsmanager des IFC, Michele Cavalli, über dieses Projekt gesprochen.

Anfang Februar haben Sie sich im Rahmen eines Pilotprojekts einem Audit nach der neuen eduQua-Norm unterzogen. Wie haben Sie das erlebt?
Michele Cavalli (MC): Wir haben das Audit fast wie eine Schulprüfung erlebt, weil die Erwartungen sowohl an uns als auch an die Zertifizierungsstelle sehr hochgesteckt waren. Was das IFC betrifft, waren wir positiv überrascht vom hohen Verantwortungsbewusstsein, das hinsichtlich der Zertifizierung an den Tag gelegt wurde. Die Teilnahme erfolgte spontan, und das Wissens- und Kompetenzniveau der Beteiligten war sehr hoch, alle waren gut vorbereitet. Es macht immer Spass, seine Herangehensweise zu hinterfragen, und wir haben gesehen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Das Audit erfolgte im Hybrid-Format. Wie sehen Sie das?
MC: Wir haben uns freiwillig für diesen Modus entschieden, letztes Jahr war das ja noch im reinen Remote-Betrieb erfolgt. Nun wollten wir den Teil mit der Leitung im Präsenzmodus und den mit den Kursleitenden im Remote-Betrieb durchführen. Ich finde, das ist gut gelaufen.

Manuela Courbon Guggiari (MCG): Wenn ich die Wahl hätte, würde ich sagen, dass dieser Hybrid-Modus die beste Lösung ist, weil das IFC mehrere Einrichtungen an verschiedenen Orten im Kanton umfasst. Ich habe das reale Zusammentreffen mit der gesamten Leitung genossen. Dabei konnten wir zum ersten Mal unser Institut vorstellen, das in den letzten Jahren auch andere Weiterbildungsangebote des Kantons* unter seinem Dach aufgenommen hat.

Sie haben die neue Norm nun getestet und implementiert. Welche Unterschiede sehen Sie?
MC: Ich sehe keine grossen Veränderungen gegenüber der Norm eduQua:2012, was die eingeforderten Standards betrifft. Geändert hat sich hingegen die Gliederung der Kriterien. Die neue Norm ist zweifellos klarer und dank der Fragen und Anleitungen im Handbuch auch einfacher.

Was sind konkret die Stärken der neuen Norm?
MC: Ich begrüsse es, dass versucht wird, die Norm zu vereinfachen, zumindest innerhalb der Grenzen, welche die Schweizerische Akkreditierungsstelle SAS vorgibt. Diese schreibt bestimmte strukturelle Kriterien vor. Die Norm ist mit den neuen acht Prinzipien nun wohl einfacher und klarer. Einige Dinge wurden nachgeschärft. Und die Norm ist nun besser auf Weiterbildungsträger abgestimmt.

Sehen Sie Schwächen oder Verbesserungspotenzial?
MC: Wie bei jeder Vorschrift besteht ein kritischer Punkt darin, sicherzustellen, dass bestimmte Anforderungen auch für alle erfüllbar sind. Kleineren Einrichtungen könnte es schwerfallen, zu verstehen, was die ausschlaggebenden Kriterien sind, deren Erfüllung sie erläutern und unter Beweis stellen müssen, und wie sie das machen sollen.

MCG: Als grosse und komplexe Einrichtung haben wir zu jedem Kriterium etwas vorzuweisen, aber ich kann bestätigen, dass dies kleineren Trägern etwas schwerer fallen könnte.

Wie gut verträgt sich die neue Norm Ihrer Meinung nach mit der Weiterbildung in einer digitalen Umgebung?
MCG: Seit einem Jahr ist Fernunterricht ein Thema, das uns alle betrifft, und wir hatten nicht erwartet, dass das so schnell gehen würde. Ein Aspekt, der hier zweifellos von entscheidender Bedeutung ist, sind die diesbezüglichen didaktischen Kompetenzen und neuen Fähigkeiten der Kursleitenden. Die jeweilige Einrichtung muss sich Gedanken machen, welche Kompetenzen sie mobilisieren möchte und wie sie diese erwerben kann. Die Weiterbildung der Lehrkräfte im digitalen Bereich ist eine grosse Herausforderung: Das IFC bietet seinen Mitarbeitenden derzeit Weiterbildungsmöglichkeiten zu einigen neuen Tools an.

MC: Die Norm verlangt, dass die Einrichtung sich die nötigen Mittel und Ressourcen verschafft, um die Qualität der Ausbildung unter allen Gegebenheiten zu gewährleisten. Soweit die Vorgabe der Norm. Diese macht jedoch keine Angaben zum Zeitrahmen, den ein Institut benötigt, um diese Vorgabe umzusetzen. Meiner Ansicht nach müsste die neue Norm diesbezüglich Genaueres zu den Sachzwängen in aussergewöhnlichen Situationen enthalten, z. B. Kriterien dazu, wie eine Einrichtung mit Krisensituationen umgehen kann. Das Kriterium A5 gewährleistet nicht, dass alle Organisationen «fähig» sind, eine Risikoanalyse im Hinblick auf aussergewöhnliche Situationen durchzuführen.

Das IFC ist eines der grössten Weiterbildungsinstitute im Kanton mit einem sehr vielfältigen Angebot. Was ist diesbezüglich im Hinblick auf die Qualitätssicherung und -kontrolle die grösste Herausforderung?
MC: Aus meiner Sicht ist das die Digitalisierung der Verfahren, damit man es ohne grossen Aufwand schaffen kann, (statistische und nicht statistische) Kennzahlen zu erheben und zu extrapolieren. Gelungen ist dies schon, was die Erhebung der Teilnehmendenzufriedenheit angeht: Mit einem einzigen Klick können wir dazu zahlreiche Informationen abrufen. Dies ist eine der Herausforderungen. Eine andere besteht darin, einen gemeinsamen Kurs, eine gemeinsame Richtung zu verfolgen, insbesondere in Bezug auf die Qualität.

MC: Die grösste Herausforderung besteht für das IFC, auch angesichts seiner Grösse, darin, alle über unser Qualitätsmanagementsystem auf dem Laufenden zu halten. Die Herausforderung für uns als Management, als Leitung besteht darin, den Mitarbeitenden das Qualitätsmanagementsystem näherzubringen und zu erläutern – zusätzlich zu den Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung, die Michele bereits angesprochen hat.

Wie wollen Sie die Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Wissen und Bewusstsein der Mitarbeitenden in Bezug auf das Qualitätsmanagementsystem angehen? Welche Massnahmen ergreifen Sie oder werden Sie ergreifen?
MCG: Wir haben beschlossen, das Sekretariat und das gesamte IFC-Team zum Qualitätsmanagementsystem und allen Tools, die das IFC zur Verfügung stellt, zu informieren und zu schulen. Das Team schult nun seinerseits die Mitarbeitenden ein, die Erwachsenenkurse geben und die für Fondounimpresa tätig sind.
 Wir haben keine neuen Tools geschaffen, aber wir müssen allen bewusst machen, dass die Tools, die wir haben, da sind. Dazu ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Ausserdem möchten wir auch für Fondounimpresa, die letzte in das IFC integrierte Einrichtung, eine/n Qualitätsverantwortliche/n bestimmen.

MC: Zusätzlich zu dem, was Manuela bereits erwähnt hat, organisiert das IFC ein Jahrestreffen für alle eigenen Mitarbeitenden. Das ist eine Gelegenheit, um zusammenzukommen und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen.
 Die nötigen Qualitätsmanagement-Tools haben wir. Zum Beispiel gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Kompetenzen unserer Kursleitenden: auf Eigeninitiative hin, im Rahmen der Entwicklungsgespräche mit den jeweiligen Vorgesetzten oder im Rahmen der Inspektionsbesuche in Lehrveranstaltungen, die auch dem Austausch über die Unterrichtspraxis und der Mitgestaltung der didaktischen Qualität dienen. All diese Situationen werden angemessen dokumentiert, um die Institutsleitung bei der Planung von Weiterentwicklungsmassnahmen und die Kursleitenden bei der Gestaltung des eigenen Entwicklungswegs zu unterstützen.

Auf welche spezifischen Kriterien im Sinne der Norm eduQua:2021 beziehen sich diese Massnahmen?
MC: Wir beziehen uns sowohl auf das Führungs- und Managementumfeld für die Lehrkräfte, also das Kriterium C2 zu Entwicklungs- und Weiterbildungsmassnahmen (Kompetenzentwicklung), als auch auf das Kriterium H2 der neuen Norm, das die Möglichkeit von Rückmeldungen an die Kursleitenden im Interesse einer Verbesserung der Lernprozesse betrifft. Die Verfahren und Tools, über die wir verfügen, helfen uns auch, organisatorische Qualität zu vermitteln. Bei den oben erwähnten Treffen bietet sich zudem die Gelegenheit, die Bedeutung von Aktivitäten zum Informationsaustausch zu unterstreichen, damit einerseits die Leitung die Mitarbeitenden kennenlernen kann und andererseits die Mitarbeitenden verstehen, wo Verbesserungsspielraum besteht.

Interview: Francesca Di Nardo

* Das Institut für Weiterbildung (Istituto della formazione continua, IFC) wurde am 11. März 2015 vom Tessiner Staatsrat ins Leben gerufen. Seit September 2018 hat es die Erwachsenenkurse («Corsi per adulti») und im September 2020 den Gründerservice «Fondounimpresa» unter seinem Dach aufgenommen.